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Ortsgeschichte

Entstehung

Im Zentrum Europas, an der grossen Nord-Süd und Ost-Westverbindung gelegen, hatte die Bodenseeregion immer auch Anteil an den Kulturen verschiedenster Völker Europas. So bauten die ersten Bewohner des heutigen Kantons Thurgau von Westen kommend an den geschützten Buchten des Untersees, in Ermatingen und einigen westwärts gelegenen Stellen des Sees, ihre Hütten. Gewisse Funde lassen sich eindeutig in die Steinzeit um etwa 3000 v. Chr. zurückdatieren, andere sprechen für eine noch frühere Besiedlung unserer Gegend in der klassischen Pfynerzeit (frühes und mittleres 4. Jahrtausend v. Chr.). Nach der Vermischung der Kulturen durch Siedler aus Norden entstanden zur Zeit, als in Ägypten die Pyramiden gebaut wurden, im Bügen und Westerfeld die Pfahlbauten. Verschiedene Funde erinnern auch an die Kelten- und Römerzeit. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. verdrängten die Alemannen die Römer aus unserer Gegend. Beim Eisenbahnbau im Jahre 1875 wurden in Ermatingen 50 - 60 alemannische Grabstätten aufgedeckt. Aus dieser Zeit stammt der Name des Dorfes. Ermatingen ist der Ort, an dem die Angehörigen des Ermuot wohnten.

Erstes Dorf im Kanton Thurgau

Im 6. Jahrhundert gerieten die Alemannen unter die Herrschaft der Franken. Um die Christianisierung im Osten voranzutreiben, vermutlich aber eher aus machtpolitischen Gründen, wurde um 560 der Bischofssitz von Windisch nach Konstanz verlegt. Die Pfarrei Ermatingen besitzt den bei den Franken hoch verehrten Albinius als Kirchenpatron. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass gegen Ende des 6. Jahrhunderts ein Statthalter der Franken in unserm Dorf eine Kirche stiftete. Karl Martell schenkte mit einer am 25. April 724 zu Joppilla erlassenen Urkunde Erfmotingas mit 24 namentlich erwähnten Leuten dem unter Bischof Pirminius neu gegründeten Kloster Sintlasau (Reichenau). Damit ist Ermatingen das erste in einer noch vorhandenen Urkunde erwähnte Dorf im Kanton Thurgau.

Das Ermatinger Wappen

Im Krieg zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Abt von St. Gallen versuchte der Abt 1249 die Besitztümer des Bischofs südlich des Sees zu zerstören. Eine Ueberlieferung berichtet, dass beim Kampf um Ermatingen ein Hund die Leute rechtzeitig gewarnt habe. Seit dem Mittelalter ziert daher eine Dogge das Wappen von Ermatingen.

Verbindung zur Insel Reichenau

In vielen Urkunden zeigt sich die grosse Bedeutung der Besitzer des Hauses Hard. Sie waren geachtete Landleute und standen häufig im Dienst der Äbte der Reichenau. Unter dem Schirmvogt des Abtes erhielten die zur Reichenau gehörenden Orte eine gewisse Vorzugsstellung. Die Abgaben und Eingriffe waren weniger hart als in den weltlichen Vogteien. Lebensgrundlage bildeten der Weinbau, die Fischerei und die Jagd. Die Ermatinger hielten sich an alte Bräuche und bestanden auf erhaltenen Rechten. Eine erste bekannte Offnung, in denen diese festgehalten wurden, stammt aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Eine erneuerte Ausfertigung von 1518 liegt im Gemeindearchiv.

Entstehung der Groppenfasnacht

Ein für Ermatingen wichtiger Anlass war das Konzil von Konstanz, das von 1415 - 1418 dauerte und die Kirchenspaltung beenden sollte. Einer der drei Gegenpäpste, Johannes XXIII., soll während dieser Zeit Ermatingen besucht haben. Der Konzilschronist Ulrich Richental berichtet, dass am 20. März 1415 Papst Johannes auf einem kleinen Ross heimlich aus Konstanz floh und zuerst in des Leutpriesters Haus zu Ermatingen kam. Gemäss Überlieferung soll der Papst als Dank für die Verpflegung den Ermatingern erlaubt haben, zu dieser Zeit nochmals Fasnacht zu feiern. Die Ermatinger führen daher die Groppenfasnacht, die alljährlich drei Wochen vor Ostern stattfindet, auf diesen Papstbesuch zurück.

Weitere Informationen zur Groppenfasnacht finden Sie hier.

Schlacht von Schwaderloh

Im Jahre 1460 eroberten die Eidgenossen den Thurgau. Der Übergang an die neuen Herren brachte keine grundlegenden Veränderungen. Er betraf mehr die Hoheitsrechte, die niedere Gerichtsbarkeit blieb beim Abt. Da mit den Österreichern im Dezember 1460 in Konstanz nur ein Waffenstillstand geschlossen wurde, waren neue Streitigkeiten voraussehbar. Nach einigen Ausfällen im März überfiel ein schwäbisches Bundesheer mit 6000 - 7000 Mann von Konstanz aus am 11. April 1499 Ermatingen. Gleichzeitig wurde das Dorf von der Reichenau aus mit Schiffen angegriffen. In Ermatingen standen neben 400 Thurgauern etwa 50 Berner und 50 Freiburger. Nach grossem Gemetzel und Plünderungen wurde das Oberdorf, das Langhaus der Kirche und die Häuser gegen das Hard (Rathaus, Adler, Rellingsches Schlösschen) fast völlig niedergebrannt. Am Nachmittag zog das schwäbische Bundesheer mit grosser Beute wieder gegen Konstanz. Dabei kam es auf unserm Gemeindegebiet, oberhalb Triboltingen zur sogenannten Schlacht von Schwaderloh. Dank einer taktischen Meisterleistung wurde das schwäbische Heer durch die zahlenmässig weit unterlegenen Eidgenossen vernichtend geschlagen. In Ermatingen war der Wille zum Neuaufbau bemerkenswert. Noch heute sind einige Bauten Zeugen aus dieser Zeit.

Von der Reformation zur paritätischen Kirche

Ab 1524 hielt in Ermatingen unter dem jungen Pfarrer Alexius Bertschi aus Konstanz die Reformation Einzug. Fast die ganze Gemeinde wechselte zum evangelischen Glauben. Nach dem 2. Kappeler Krieg zogen einige katholische Familien wieder nach Ermatingen zurück und seit 1536 wird die Kirche paritätisch genutzt. Auch aus der Kapelle Triboltingen wurden die Bilder entfernt. Sie war vermutlich eine Stiftung der dortigen Vogtfamilie, wurde von Konstanz aus betreut und stammt aus der Zeit zwischen 1210 und 1267. Nach der Reformation diente die Kapelle bis 1955 profanen Zwecken.
Das einst mächtige Kloster Reichenau wurde 1540 dem bischöflichen Hochstift Konstanz einverleibt. Die reichenauischen Rechte über Ermatingen gingen damit an das Bistum. Im 30-jährigen Krieg wurde 1619 eine Wehrordnung erlassen. Darin wurde der Thurgau in 8 Quartiere aufgeteilt und Ermatingen als Hauptort des 7. Quartiers bestimmt. Besondere Anerkennung erwarb sich die Schützengesellschaft, die von den regierenden Orten ab 1646 eine jährliche Entschädigung und 1698 von der Gemeinde einen Schützenstand erhielt. Im August 1633 zog der schwedische General Horn seeaufwärts und bezog in Triboltingen, Tägerwilen und Kreuzlingen Stellung. Weil die Bevölkerung und die Besitzer von Wolfsberg mit den Schweden sympatisierten, wagte der Zuger Hauptmann Heinrich keinen Widerstand

Dorfgewerbe

Im Jahre 1660 erhielt Ermatingen von den regierenden Orten das Marktrecht. Jetzt konnten Berufsarten ausgeübt werden, die bisher als städtische Gewerbevorrechte galten. Dieses Jahr kann also als Ausgangspunkt unseres heute starken Dorfgewerbes angesehen werden. Im Dorfleben standen der vom Gerichtsherr gewählte Ammann und der von der Gemeinde frei gewählte Bürgermeister in hohem Ansehen. Der Ammann übte die niedere Gerichtsbarkeit und den Bezug der Gefälle und Bussen aus. Der Bürgermeister war für alle Angelegenheiten, die das Gemeinwesen und ihren Haushalt betrafen, zuständig. Hier galt der Grundsatz "Das ist unser Sach". Er führte die Verhandlungen mit dem Gerichtsherrn und dem Landvogt. Bei wichtigen Angelegenheiten hatte die Gemeinde das letzte Wort. Hindernis in der Entwicklung waren seit der Reformation häufig religiöse Streitigkeiten, einig war man sich nur gegen Eingriffe des Landvogtes, des Gerichtsherrn oder der Schlossbesitzer.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu Diskussionen um das Fallrecht und die Abgaben an den Gerichtsherrn. Diese waren zwar nicht mehr drückend, sie erinnerten aber an die Unfreiheit. Auf Martini 1795 konnte sich die Gemeinde mit Zustimmung der regierenden Orte von dieser Pflicht loskaufen. Die endgültige Ablösung erfolgte erst 1839. Als dann der Thurgau frei wurde, verhielten sich die Ermatinger zurückhaltend. Man hatte Bedenken gegen die am 3. März 1798 zugesicherte Freiheitserklärung. Die Fischer fürchteten, dass die neue Ordnung ihre Rechte zum Fischfang im ganzen bischöflichen Hoheitsgebiet beeinträchtigen werde. Am 17. April 1799 kamen die Franzosen nach Ermatingen, im Mai rückten österreichische Truppen ein. Unsere Gemeinde litt während dieser Zeit unter grossen Verwüstungen und harten Kriegskosten. Nach der Niederlage Napoleons I. liessen sich viele französische Adelige am Untersee nieder. So gründeten der Ermatinger Hartmann Friedrich Ammann zusammen mit Prinz Louis Napoleon im Restaurant Hirschen 1835 den Kantonalen Schützenverein. Schon Ende August fand im Oberstad das erste kantonale Schützenfest statt. Heute beherbergt das Hotel Adler die kantonale Schützenstube.

1897 wurde durch die Gemeinde eine öffentliche Wasserversorgung erstellt und 1906 beschloss die Gemeinde die Einführung der Elektrizität mit Anschluss an die Kraftversorgung Bodensee - Thurtal.

Seit dem 1. Juni 1975 bilden die beiden ehemaligen Ortsgemeinden Triboltingen und Ermatingen die Gemeinde Ermatingen.

Aus der Geschichte der Fischerei

Wer heute durch den Dorfteil Staad, die alte Fischersiedlung, streift, muss die Spuren des einst bedeutenden und traditionsreichen Fischereigewerbes ziemlich mühsam zusammensuchen. Zwar findet man das Fisch-Emblem recht häufig, vom Schuhkratzer über die Fensterläden bis zur Windfahne, aber das ist eine neuere und bereits nostalgisch angehauchte Erscheinung. Bis vor etwa 50 Jahren gehörte zu dem Fischerhaus eine "Netzhänki" zum Trocknen und Ausbessern der zahlreichen Baumwoll- und Leinennetze, und wer auf eigenem Boden keinen Platz hatte, hängte sie an der grossen Netzhänki im "Horn" auf. Seit die Kunstfasernetze dominieren, gibt es dieses schöne Bild nicht mehr. Kunstfasern werden an der Sonne brüchig, und trocknen muss man sie auch nicht mehr.

 

Neben den weisslichen oder grünlichen Netzen hingen früher im "Horn" die ungleich schwerer gebauten, braunen Zuggarne, "Seginen" oder - auf der Reichenau - "Watten" geheissen. Ein Zuggarn wurde von vier Fischern gemeinsam in einem Kreis von vielleicht hundert Metern Durchmesser ausgeworfen und gleich wieder eingezogen. Dieser einst wohl wichtigsten Fischerei oblag man in Ermatingen bis 1963. Andernorts, z. B. auf der Reichenau, wo es früher etwa ein Dutzend "Watten" gab, war sie schon längst aufgegeben worden, hauptsächlich wegen der Seeverschmutzung, die das Reinigen der Garne zur ewigen Plackerei werden liess. Da mit den Zuggarnen oft auch zu junge Fische mitgefangen wurden, darf man ihrem Verschwinden nicht zu viele Tränen nachweinen.

 

Mit "Segi" bezeichnet man sowohl das Garn wie auch die Mannschaft und auch das Boot, einen schweren, schwarzen, flachbödigen Kahn. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg lagen deren etliche am Ermatinger Ufer. Der grösste, 15 Meter lang, gehörte der Gangfischsegi Genossenschaft, die ihr riesiges Zuggarn zwischen Mitte November und Weihnachten, zur Laichzeit des Gangfisches, auswarf. Diese etwas kleinere Felchenart, früher Brotfisch des Untersees, ist heute eine Rarität. Die aus 18 Fischern gebildete Genossenschaft hat sich schon vor zwei Generationen aufgelöst.
Die Ermatinger Netzfischer, deren Anzahl von vielleicht 40 auf zurzeit zehn gesunken ist, verwendet seit über hundert Jahren die leichte Holzgondel, die sitzend, mit dem Rücken zum Bug gerudert wird. Ein Ermatinger Bootsbauer soll sie "erfunden" haben, und die meisten wurden hier gebaut. Heute besteht sie aus Kunststoff, und die Fischer verwenden immer mehr einen neuen Typ Boot, identisch mit jenem, der sich am Obersee durchgesetzt hat.
Im Unterstaad, zwischen "Trischli" und "Seegarten" steht ein kleines, einräumiges Häuschen hart an oder eher schon in der Strasse, die gehorsam einen Bogen drum herum macht. Nicht selten steigen feine Rauchschwaden auf, nicht aus dem Kamin, sondern aus den Ritzen der Brettenverschalung im Giebel und zwischen den Ziegeln. Besorgte Spaziegänger machen einen etwa darauf aufmerksam, in der Meinung, es brenne. Es sind aber kontrollierte Felchen an vielen Stängelchen und erhalten in etwa zehn Stunden eine goldgelbe Tönung und ein Aroma ...!

"Früher" waren die gesalzenen und geräucherten Gangfische ein wichtiger Handelsartikel. In Ermatingen war der Fischhandel für Unter- und Obersee konzentriert; selbst deutsche Fischer lieferten, wenigstens in Friedenszeiten, ihren Fang ab, und auch Fische aus anderen Schweizer Seen bis in die Westschweiz gelangten vor allem über die Fischgrosshandlung der Gebrüder Läubli bis nach Frankreich und Oberitalien.
Während die Fischrestaurants allesamt an der Strasse liegen und ohnehin in der halben Schweiz und am deutschen Ufer bekannt sind, muss man die Fischbrutanstalt, 1887 gegründet, in einem Hinterhof suchen. Sie gehört dem Kanton und ist im Frühjahr, wenn die Bassins voller Brütlinge sind, für Gruppen auf Anmeldung bei den Fischaufsehern zugänglich.
Wer sich für die Geschichte der Fischerei des Unter- und Obersees interessiert, kann in dem 1993 eröffneten Seemuseum in der Kornschütte Kreuzlingen auf Entdeckungsreise gehen. Das Museum ist jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet, von April bis Oktober auch mittwochs und samstags von 14 bis 17 Uhr. Angemeldete Gruppen sind jederzeit willkommen. Nähere Auskünfte über Tel. +41 71 688 52 42.
Der grösste Teil der im Seemuseum ausgestellten alten Gerätschaften und Objekte der Fischerei gehören dem Verein für ein Bodensee-Fischereimuseum in Ermatingen. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen. Auskunft erteilt Tel. +41 71 664 23 64.

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